Dieser Beitrag steht mit allen Screenshots und Grafiken im Archiv zur Verfügung
Beim Recherchieren stieß ich auf die Internationale Hochschule Liebenzell und den Trägerverein die Liebenzeller Mission, die mit der Evangelischen Allianz Deutschland (EAD) verbunden ist. [1]
Die Liebenzeller Mission ist eine pietistische/evangelikale Missionsgesellschaft, die weltweit in überkonfessioneller Partnerschaft arbeitet, mit rund 60 Partnerkirchen und –organisationen und sie ist mit über rund 230 Mitarbeiter:innen in 22 Ländern vertreten. [2]
Es gibt z.B. die Bibelschule Muramvya in Burundi, Radio L in Malawi, Hilfe für Nabwalya in Sambia, das Kinderdorf Khulna in Bangladesch, Gemeindegründungen in Japan, Ecuador und im Ural in Russland, das ECOM Bible Training College in Papua-Neuguinea, die Evangelical University in Sambia, … und natürlich auch Aktivitäten in Deutschland.
Die Arbeitsbereiche der Liebenzeller Mission umfassen sieben Bereiche: [3]
– Internat. Hochschule Liebenzell
– Interkult. Theologische Akademie
– Studien- und Lebensgemeinschaft
– Missionsberg-Gemeinde
– Impact
– Kinderzentrale
– Medienportal
Im Mittelpunkt steht, ganz ungeachtet ihrer vermeintlich humanitären Hilfe, stets die Missionierung.
„Das ist weltweit unsere Mission Dafür setzen wir uns ein. (…) „Mit Gott von Mensch zu Mensch“.“ [4]
Beim Betrachten des Bildes mit den schwarzen fröhlich posenden Kindern kommt bei mir mehr als nur ein Geschmäckle auf.
Denn die einen reisten und reisen nach Afrika, um den Kontinent zu Missionieren und die anderen um diesen auszubeuten, manchmal mit Entwicklungshilfe und Verträgen im Köfferchen oder mit giftigem Elektromüll im Gepäck. [5]
Ein Kontinent, der über eine reichhaltige Kultur, eine außergewöhnlichen Architektur verfügt und der bereits ab dem 15. Jahrhundert kolonialisiert wurde, einem Kontinent, der geplündert wurde, dessen schwarze Bevölkerung entrechtet, ihrer Freiheit beraubt, verschleppt, misshandelt und wirtschaftlich als Sklav:innen ausgebeutet wurden. [6]
All das fällt mir dazu ein und noch viel mehr.
Die christliche Missionierung Afrikas erfolgte in 2 Etappen. Einer frühen Missionierung ab dem 4. Jahrhundert. Ab dem 19. Jahrhundert folgten Missionare den Kolonialmächten oder waren deren Wegbereiter. [7]
Deshalb gehen Missionierung und Kolonialisierung sowie Unterwerfung Hand in Hand.
1934, ein Jahr nach dem Machtantritt der Nazis, druckten deutsche Kolonialpolitiker Propaganda auf Postkarten. »Auch hier liegt unser Lebensraum!« prangte auf der Weltkugel, die den afrikanischen Kontinent zeigte.
Darauf waren die Konturen der vier ehemaligen deutschen Kolonien abgebildet: Togo und Kamerun, Deutsch-Ostafrika und Deutsch-Südwest. [8]
Die nachfolgende Grafik wurde bearbeitet und betrifft die feierliche Eröffnung der großen Kolonial-Ausstellung in Freiburg i. Br. am 16. Juni 1935 im Namen der Oberbadischen Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft. [9]
Um antischwarzen Rassismus nicht unnötig weiter zu verbreiten, verzichte ich an dieser Stelle auf das Bild, das die Original-Nazis von schwarzen Menschen vermittelten.
Es ist ein Bild, das so oder so ähnlich auch heute noch von Menschen geteilt und weiterverbreitet wird und das teilweise mit Aggressivität verteidigt oder verharmlost wird.
Ganz besonders als Reaktion auf Kritik.
Bezogen auf Deutschland ist hier eine Kontinuität erkennbar. Denn auch die Liebenzeller Mission hat nicht nur einen antisemitischen Kern, sondern auch eine Nazi-Geschichte und die geht verkürzt so:
Es ist das Jahr 1934 und das Aktionskomitee der Liebenzeller Mission (LM) vertritt als offizielle Linie, eine Art Glaubensbekenntnis (CN/TW: Antisemitismus)
Zitat: „Wir glauben, dass das unter dem Fluch des Messiasmordes stehende Volk für die anderen Völker der Erde ein Fluch ist“. [11]
Der deutsche Zweig der britischen China-Inland-Mission der LM wurde angewiesen keine jüdischen Ärzt:innen zu konsultieren. Etwa die Hälfte der China-Missionare war später Mitglied der NSDAP. Das deutsche Evangelium wurde als deutsche Kulturaufgabe in dieser Welt verstanden.
Der Missionsgründer, ein Pfarrer namens Heinrich Coeper, betrachtete A.H. als „Lichtgestalt, die von Gott erwählt war, der Retter, Helfer und Erlöser Deutschlands zu werden“.
Sein Nachfolger der Pfarrer Ernst Buddeberg, verantwortlich für den am 2.5.1936 formulierten Erlass mit sofortiger Wirkung keine jüdischen Ärzte aufzusuchen und begonnene medizinische Behandlungen umgehend abzubrechen, [12] war noch Ende 1944 und Anfang 1945 von A.H. begeistert. Er sah in ihm den von „Gott erwählten und gesandten Retter Deutschlands, eine pseudoreligiöse Heilsfigur“. [13]
Der schwarze Deutsche Theodor Wonja Michael fasste die Situation von schwarzen Menschen in der NS-Zeit folgendermaßen zusammen: „Man tötete uns nicht, man ließ uns aber auch nicht leben.“ [14]
Um die LM auf einen Punkt zu bringen, habe ich ein Bild von einer Postkarte ausgewählt, dass die Einstellung der LM im Hinblick auf schwarze Menschen deutlicher nicht zum Ausdruck bringen könnte. „Wasche mich, dass ich schneeweiss werde!“
Das Datum der Postkartenveröffentlichung konnte ich nicht herausfinden und mensch könnte behaupten, die Postkarte sei schon sehr alt und das alles liege weit zurück.
Doch wie der Evangelikale Helmuth Engelkraut in seinem 2015 erschienen Buch: „Die Liebenzeller Mission und der Nationalsozialismus“ herausgefunden hat, soll von den Führungspersönlichkeiten der LM nur ein einziger Mensch nach dem 2. Weltkrieg überhaupt öffentlich Reue gezeigt und seine persönliche Schuld eingestanden haben. [17]
Das war der Bergverwalter Sauter. Der Rest hat geschwiegen und hat einfach weitergemacht und erst 2015 im Rahmen eines Pfingstfestes mit einem öffentlichen Bußakt um Vergebung gebeten. [18]
Die Entnazifizierung fiel darum bei der LM aus. Deshalb ist ein einzelnes Buch wie das von Engelkraut über die Liebenzeller Mission nicht genug.
Andererseits hat eine Entnazifizierung, eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, mit Sexismus/Misogynie und mit Rassismus … in dieser Gesellschaft sowieso nie stattgefunden und genau dort ist die Liebenzeller Mission gemeinnützige GmbH beheimatet.
Eine weiße deutsche evangelikale Organisation, die den Menschen überall auf der Welt, darunter auch schwarzen Menschen und Kindern, eine ganz und gar nicht frohe Botschaft vermitteln will.
Es ist eine die auf Autorität und auf Glauben beruht und die, so wie es auf der Webseite aussieht, vorzugsweise von weißen Menschen vermittelt wird.
Und während weiße Missionare, wie z.B. der Pfarrer Dieter Heidtmann (seit Generalsekretär der Evangelischen Mission Solidarität), [20] behaupten die Missionsarbeit habe aus ihrer Vergangenheit gelernt, sieht das Nikita Dhawan, Professorin für Politische Theorie, [21] ganz anders.
Noch immer zeigten Großplakate kirchlicher Einrichtungen für Entwicklungshilfe hungernde schwarze Kleinkinder.
„Damit werde suggeriert, dass Europäer aus moralischen Gründen in Armut lebenden Menschen helfen sollten. „Dass Europa selbst an dieser Armut einen Anteil hat, wird aber verschwiegen.“ Damit lebten die einstigen klischeehaften Bilder fort.
Dhawan: „Und solange die Machtverhältnisse ungleich bleiben, wird sich daran nur sehr schwer etwas ändern.““ [22]
Es gibt über die Liebenzeller Mission, über Missionierung/Christianisierung und Kolonialisierung von Afrika noch so viel mehr zu sagen.
Doch das ist in Anbetracht der Komplexität ein Thema für ein Buch und nicht für einen Thread, der hier bald endet.
Ich bedaure es allerdings sehr keine schwarze Stimme, keine schwarze Perspektive, kein Essay und keinen kurzen Text gefunden zu haben, mit dem ich diesen Thread abschließen kann.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle diesen Artikel anbieten: https://www.deutschlandfunkkultur.de/christliche-missionare-wegbereiter-und-kritiker-der.1278.de.html?dram:article_id=484716
und mit einem Zitat von Desmond Tutu enden:
„When the Missionaries arrived, the Africans had the land and the Missionaries had the Bible. They taught how to pray with our eyes closed. When we opened them, they had the land and we had the Bible.” [23]
Deutsche Übersetzung:
„Als die Missionare ankamen, hatten die Afrikaner das Land und die Missionare die Bibel. Sie lehrten, mit geschlossenen Augen zu beten. Als wir sie öffneten, hatten sie das Land und wir hatten die Bibel.“