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Wie bereits bekannt sein dürfte, liegt ein überarbeiteter Gesetzesvorschlag zur Triage des Gesundheitsministers Karl Lauterbach vor, der auch „ethisch brisante Konstellationen“ regeln soll.
Abgesehen davon dass es keine Rassen gibt, und sich die Frage stellt, warum er kein Gesundheitswesen anstrebt, das auf Triage verzichten kann,
sieht die erarbeitete „Formulierungshilfe“ vor, dass niemand aus „Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden“ soll.
Doch Rassismus, Sexismus, Misogynie, Ableismus, Ageismus, antimuslimischer Rassismus, Antiziganismus, LGBTQI-feindlichkeit, Antisemitismus … und ebenso auch eine religiöse Einstellung tragen zu Entscheidungsfindungen bei.
Das geschieht entweder bewusst oder unbewusst, also absichtlich oder unabsichtlich.
Stereotype Annahmen, Vorurteile und Diskriminierung beeinflussen eben auch die medizinische Anamnese und die Behandlungsformen, sowie den Umgang mit d. Patient*in. Mehr dazu hier
Die Triage und die Faktoren, die zu Entscheidungen führen, sind darum von existentieller Bedeutung. Es geht ums Überleben und ums Sterben und es geht um die, die die Triage durchführen, die die Entscheidung treffen, wer überlebt und wer stirbt, d.h. wer bevorzugt wird.
Es soll sogar möglich werden 1 bereits beatmete/n Patient*in das Gerät unter bestimmten Umständen wieder abzunehmen.
Begonnene Behandlungen können abgebrochen werden zugunsten 1 Patient*in mit höherer Überlebenschance.
An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Triage, die nichts anderes bedeutet als Auslese, erstmalig 1808 in der Medizin auftauchte und zwar im Tagebuch eines Kollegen des Armeechirurgen Dominique-Jean Larrey, der mit einem Pferdewagen mit chirurgischer Ausrüstung Napoleons Feldzüge begleitete. mdr.de/geschichte/zei
D.h. die Triage stammt aus der Militärmedizin und fand Eingang in die Notfallmedizin. Nämlich immer dann wenn vorhandene Mittel nicht ausreichend, sondern nur in begrenztem Maße vorhanden waren.
Gerade bei einer derart existentiellen Frage ist Kritik angebracht und die Forderung nach einem Gesundheitswesen, das besser ausgestattet ist, mit besseren Arbeitsbedingungen und besserer Entlohnung für die, die die während der Corona-Pandemie lediglich mit Stollen und Klatschen abgefertigt wurden.
So stellt sich die Frage warum ein System, das auf grundlegenden Mängeln aufgebaut ist akzeptiert wird.
Was sagt die Evangelische Allianz in Deutschland (EAD) zur Triage, allgemein und aktuell?
Nichts. Gar nichts. Nichts ist dazu auf ihrer Webseite zu finden.
Was sagt ProChrist?
Nichts. Gar nichts. Nichts ist dazu auf ihrer Webseite zu finden.
Was sagt das Christliche Medienmagazin PRO?
Da taucht Triage nur im Zusammenhang mit Impfungen oder einer möglichen Impfpflicht auf.
Was sagt der Informationsdienst der evangelischen Allianz (idea) dazu?
Bei idea gibt es nur einen 1 Artikel, der sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das entschieden hat, „dass behinderte Menschen im Fall einer Triage nicht benachteiligt werden dürfen“ [5] bezieht.
Auf der Webseite der Christen im Gesundheitswesen ist nichts zu finden. Gar nichts.
Auf der Webseite von ZeitZeichen – Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft ist auch nichts zu finden. Das Suchergebnis beträgt NULL.
Auf der Webseite des Forums deutscher Katholiken (FdK), die rechter und päpstlicher als der Papst sind, gibt es nichts zu finden. Gar nichts. Stattdessen ein Gebet zur Neuevangelisierung und Infos über den bevorstehenden Kongress „Freude am Glauben“.
Auf der Webseite von katholisch.de gibt es so einiges dazu, aber keine generelle Kritik an der Anwendung von Triage in Zeiten der Pandemie.
Die Deutsche Bischofskonferenz bejahte 2020 die Triage, diese sei als letztes Mittel gerechtfertigt.
Kardinal Woelki sagte der Bild-Zeitung: „Man muss im letzten eine Güterabwägung treffen. Und dort, wo nach menschlichem Ermessen davon ausgegangen werden muss, dass die Krankheit schon so weit fortgeschritten ist, dass die Gefahr des Todes besteht, da ist sicherlich in einer solchen Güterabwägung demjenigen, dem Gesundheit und Leben wahrscheinlich erhalten werden können, der Vortritt zu geben.“ [6]
Es geht um das Leben von Menschen und dem Kardinal fällt nichts anderes ein als von „Güterabwegung“ zu sprechen. Derselbe Kardinal, der den 15. Marsch für das Leben der Anti-Choice-Bewegung als „wichtigen Dienst an unserer Gesellschaft“ bezeichnete. [7]
Was sagen die Christdemokraten für das Leben (CDL) zur Triage?
Hier gibt es Kritik an der Ausgestaltung des Gesetzes, jedoch nicht an der Triage im Allgemeinen.
Die Kritik von Tino Sorge und Hubert Hüppe, dem stellvertr. CDL-Bundesvorsitzenden, umfasst nur die Situation von behinderten Menschen. Sie stellt allerdings nicht das Gesundheitswesen in den Fokus ihrer Kritik.
archive.ph/NXsxp
Auch Sorge und Hüppe haben sich offensichtlich damit abgefunden, dass Triage notwendig ist und weisen auf „Naturkatastrophen, Reaktorunfall, Terroranschlag sowie bei der Zustellung etwa von Impfungen oder Rettungswagen-Transporten“ hin.
Und wer sich die Seite genauer betrachtet sieht auf der rechten Seite die Verlinkung „Keine Werbung für Abtreibung“, die direkt zu einer Webseite führt, die vom Bundesverband Lebensrecht e.V. betrieben wird.
In aller Kürze zusammengefasst: von christlichen Fundis, von Evangelikalen und von Christ*innen kommen keine Botschaften der „christlichen Nächstenliebe“ wenn es um die Triage geht und keine grundsätzliche Kritik am Gesundheitswesen. Bisweilen ist d Schweigen auffallend laut.
Diesem Schweigen und dem Desinteresse an derart lebensbedrohlichen Entscheidungen, gemeint ist die Triage, möchte ich zum Abschluss ein Zitat entgegenhalten:
„Dass strukturierte Triage-Protokolle auf die Verletztenversorgung im Kriegsfall zurückgehen“ wirft ein „bezeichnendes Licht auf die militarisierten Verhältnisse“
„zu denen sich zivile Katastrophen wie eine Pandemie rasch entwickeln und in denen sie zum Anlass und Gegenstand politischen Handels und politischer Rhetorik werden.“
Sie verlangen von den Akteuren, dass sie sich einem Triage-Protokoll unterwerfen und und suspendieren damit jede Ursachenforschung und Kritik.
„Der feldchirurgische Entscheidungsdruck, die chronopolitischen Bedingungen eines „Massenanfalls“ von Verwundeten und Infizierten – sie haben überall auf der Welt, Katastrophe für Katastrophe, den Status einer fragwürdigen Normalität erlangt.“