Ein Thread über den Begriff Geschlechtergerechtigkeit

Dieser Beitrag steht mit allen Grafiken und Screenshots im Archiv zur Verfügung

1) Im Mittelpunkt dieses Beitrags in XXXL-Länge steht der Begriff „geschlechtergerecht“ bzw. „Geschlechtergerechtigkeit“.

2) Denn wie dieser zu verstehen ist, erschließt sich stets nur aus dem Kontext, ob z.B. gegendert wird mit Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich, um damit alle Geschlechter abzubilden und anzusprechen, oder ob das BinnenI verwendet wird.

3) In diesem Fall, also beim BinnenI, ist es höchstwahrscheinlich, dass d. Verfasser:in nur cisgeschlechtliche Menschen ansprechen/abbilden will, weil sich Transfeindlichkeit hinter den Zeilen verbirgt.

4) Mit dem generischen Maskulinum will ich gar nicht erst anfangen.

5) Um herauszufinden, welche Einstellung zutreffend ist, macht es Sinn, sofern der Text nichts weiteres hergibt, sich mit d. Autor:in ein wenig näher zu befassen

6) oder im Gespräch mit einer Person, z.B. eines:r Lehrer:in/Erzieher:in, die erklärt eine „geschlechtergerechte Pädagogik“ anzubieten, nachzufragen was diese darunter versteht.

7) Denn „Geschlechtergerecht“ kann alles und im schlimmsten Fall sogar das Gegenteil bedeuten.

8) Um das zu veranschaulichen wurde für diesen Thread ein LGBTQI-feindlicher und misogyner Text von Konstantin Mascher als Ausgangspunkt gewählt. Denn Geschlechtergerechtigkeit kann auch ins Gegenteil verkehrt werden.

9) Der Text von Mascher wird nicht analysiert, kann allerdings gelesen werden unter: archive.is/HJvO1 was jedoch zum Verständnis dieses Threads nicht zwangsläufig erforderlich ist.

10) Mascher fordert in diesem Text eine „geschlechtergerechte Pädagogik“. Was er damit meint, ist schnell erläutert. Vor allen Dingen dann, wenn mensch seinen Background kennt.

11) Konstantin Mascher gehört nämlich nicht nur den Evangelikalen der Evangelischen Allianz Deutschland (EAD) an, sondern ist auch Leiter der Offensive Junger Christen (OJC), die der EAD nahesteht.

12) In seinem Namen und im Namen der OJC hat er 2015 die christlich-fundamentale Salzburger Erklärung erstunterzeichnet.

13) Zur OJC gehört das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG), das offen und unverblümt z.B. für Heilung (hier bezeichnet als Reparativtherapie) von Homosexualität wirbt und in zahlreichen Texten Homosexualität mit Erkrankungen und Pädophilie in einen Zusammenhang bringt.

14) Auch transfeindliche Texte werden vom DIJG veröffentlicht und weiterverbreitet.

15) Konstantin Mascher ist darüberhinaus auch Mitglied der Evangelisation für Deutschland e.V., auch als Lausanner Bewegung bekannt, er gehört zu den Referent:innen von TeenSTAR und ist im Vorstand der ojcos-Stiftung.

16) Themenschwerpunkte dieser „gemeinnützigen“ Stiftung sind u.a. „humanitäre, missionarische und diakonische Arbeit sowie Forschung und Lehre in den Bereichen Pädagogik, Völkerverständigung, Ehe und Familie, u.a. (…)“. [1]

Angaben unter „Stiftungszweck“ siehe hier: https://www.ojcos-stiftung.de/wir-ueber-uns/stiftungszweck/

17) Mascher ist also sehr gut vernetzt und auf all seinen Wegen verbreitet/verkündet er die LGBTQI-feindliche/misogyne Botschaft und die ist alles andere froh.

18) Wenn also Konstantin Mascher eine „geschlechtergerechte Pädagogik“ fordert und darüber schreibt, dann basiert seine Ideologie auf folgenden Annahmen/Aussagen

19) a) dass es nur 2 Geschlechter gibt und geben darf, nämlich Frau/Mann bzw. Mädchen/Junge
b) dass diese 2 Geschlechter verschieden sind bzw. sich unterscheiden
c) dass diesen Unterschieden Rechnung getragen werden sollen, um der „Gerechtigkeit“ der Geschlechter willen. WTF!

20) Daraus folgt dann eine Pädagogogik oder ein Angebot, d. auf geschlechtsspezifischen Rollenkonstrukten basiert und diese damit zusätzlich festschnürt.

21) Das geschieht mit unterschiedlichen bzw. „geschlechtsspezifischen“ Angeboten für Mädchen und für Jungen und baiserend auf unterschiedlichen Anforderungen an die 2 Geschlechter.

22) Harald Steeb sagte 2016 im Rahmen einer Demonstration von Demo für Alle, dem Sammelbecken von christlichen Fundis, von neuen Rechten, Abtreibungsgegner:innen und Neofaschist:innen, in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der EAD

23) Zitat: „… Jungen müssen darauf vorbereitet werden, dass sie später Väter sein können. Und junge Mädchen dürfen, sollen, müssen auch darauf vorbereitet werden, dass und wie sie später Mütter sein können.

24) Anders geht es nicht. Das ist jedenfalls natürlich und nachhaltig und für unser Gemeinwohl unerlässlich. …“ [2]

Siehe Text.

25) Männer- und Frauen, so wie z.B. von Evangelikalen forciert, enden erschreckenderweise beispielhaft wie in diesem Foto. Im aktiven bibeltreuen Mann und der inaktiven wartenden und betenden Frau.

26) Und um das Offensichtliche ein wenig zu kaschieren, wird es das Foto Karikatur verkauft.

Ein Mann mit weit geöffneten Augen steigt auf eine Leiter und hält dem Bundesadler, dem Bundeswappen Deutschlands, dessen Krallen gebetsartig gefaltet sind, die Bibel entgegen. Eine Frau mit geschlossenen Augen sitzt gebeugt auf einem Schemel und hat die Hände gefaltet. Bildunterschrift: 40 Jahre idea Spektrum

[3]

27) Konstantin Mascher aus den Reihen der EAD unterscheidet in seinem Text zwischen einer „Genderorientierten Pädagogik“, die in letzter Konsequenz die Leugnung einer spezifischen Vater- und Mutterrolle bedeute und den Kindern/Jugendlichen schade,

28) und einer „Geschlechtergerechten Pädagogik“. Jungen Menschen, so schreibt Mascher, müsse die positive Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Zweigeschlechtlichkeit begreifbar und schmackhaft gemacht werden.

29) Dabei verweist er in seinem Text auf die Publikation von Prof. Dr. Wolfgang Tischner (Hrsg.) „Jungenpädagogik“ von der Technischen Hochschule Nürnberg, [4] der zur Frage einer angemessenen Pädagogik folgendes gesagt haben soll

30) Zitat: „Leitlinie für pädagogisches und bildungspolitisches Handeln sollte weder die Idee der Gleichbehandlung noch die Strategie des Gender-Mainstreamings sein, sondern das Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit.[5]

31) In diesem Kontext läuft „Geschlechtergerechtigkeit“ auf Ungleichheit hinaus.

32) Trotzdem erscheint es sinnvoll sich mit dem Erziehungswissenschaftler Wolfgang Tischner ein wenig intensiver zu befassen. ‚
Hier ein Foto von Wolfgang Tischner (links im Bild) gemeinsam mit Klaus Kelle im Rahmen einer Veranstaltung. [6]

Wolfgang Tischner und Klaus Kelle gemeinsam auf einem Foto

33) Immerhin war Tischner 2014 Teilnehmer des Forum Familie 2014, [7] wo er gemeinsam mit Hedwig von Beverfoerde (Demo für Alle), mit Michaela Freifrau Heereman

34) (aus Talkshows bekannt, 2009 vom Papst als Beraterin des Päpstlichen Rates für die Familie berufen [8] und aktuell Vorstandsmitglied des Elternverein NRW, der zu den Sponsoren der rechten 5. VV wahre Schwarmintelligenz gehörte)

35) und mit Wolfgang Leisenfels (Erstunterzeichner der christlich-fundamentalen Salzburger Erklärung) … plauderte. Für die Moderation war Klaus Kelle von der CDU und Organisator der VV der wahren Schwarmintelligenz zuständig.

36) Thema der Veranstaltung „Gender-Mainstreaming und sexuelle Vielfalt in der Schule“. [9] Dazu folgendes Foto mit den Referent:innen der Veranstaltung. [10] Wolfgang Tischner ganz rechts außen.

Ein Foto der Veranstaltung Forum Familie. Zu sehen sind: Karin Maria Fenbert, Michaela Freifrau Heeremann, Wolfgang Tischner, Karla Etschenberg, Wolfgang Leisenberg, Klaus Kelle und Hedwig von Beverfoerde. Die Reihenfolge der genannten Namen auf dem Foto stimmt allerdings nicht.

37) 2016 stellte sich Tischner, dem antifeministischen Onlineportal cuncti für ein Interview zur Verfügung. Das Thema der Benachteiligung von Jungen komme heute in der Pädagogik zu kurz, so der Professor. [11]

Screenshot von der Webseite Cuncti und dem Interview mit Wolfgang Tischner. Titel: „Geschlechterdebatte: „Ein wesentlicher Teil der Natur von Jungen wird nicht akzeptiert“. Nachzulesen hier: https://www.cuncti.net/geschlechterdebatte/935-geschlechterdebatte-ein-wesentlicher-teil-der-natur-von-jungen-wird-nicht-akzeptiert

38) D.h. spätestens an dieser Stelle wurde aus der Begrifflichkeit der „Geschlechtergerechtigkeit“ in diesem Kontext ein antifeministisches und maskulistisches Narrativ.

39) Die Abendzeitung München berichtete im November 2019 vom Nürnberger Erziehungswissenschaftler Wolfgang Tischner, der zu der Erkenntnis gelangt sei, dass Lesestoff für Jungen zu wenig berücksichtigt würde.

40) Durch die Dominanz von Frauen in der Erziehung, in Kitas und Schulen, sowie beim Vorlesen würden den Jungen die männlichen Vorbilder fehlen und dadurch präge sich bei diesen ein „Lesen ist weiblich“. [12]

Screenshot von der Abendzeitung mit dem Titel: „Forscher: Lesestoff für Jungen wird zu wenig berücksichtigt. Nachzulesen als Ganzes hier: https://www.abendzeitung-muenchen.de/bayern/forscher-lesestoff-fuer-jungen-wird-zu-wenig-beruecksichtigt-art-585612d

41) Dies war der Moment in dem Tischners antifeministische/LGBTQI-feindliche Äußerungen in die Mehrheitsgesellschaft oder Mitte™ eindringen konnten. In eine Mitte™, die z.B. beim Kauf eines Geschenks für Kinder/für Jugendliche

42) nicht nach dem Alter oder den Interessen fragt, sondern zuallererst nach dem Geschlecht.

43) In diesem gesellschaftlichen Klima hatte der Erziehungswissenschaftler Tischner gute Chancen ernstgenommen zu werden. Hier verließ er die LGBTQI-feindliche/antifeministische/christlich-fundamentale Blase und konnte in der Mitte™ andocken

44) und dort das Verstärken was ohnehin vorhanden ist.

45) 2012 veröffentlichte der Kösel-Verlag die Publikation „Jungen sind anders, Mädchen auch: Den Blick schärfen für eine geschlechtergerechte Erziehung“ verfasst von Melitta Walther.

46) Diese Veröffentlichung beginnt wie üblich mit einem Vorwort, das aussagekräftiger nicht sein kann. Denn dieses beginnt mit dem Satz „Wer immer dieses Buch aufschlägt, ist eine Frau oder Mann. Sonnenklar“ im Vorwort. [13]

47) Damit sind/waren alle anderen Geschlechter, nonbinäre, queere, genderfluide … Menschen/Kinder/Jugendliche raus. Sie wurden nicht nur nicht angesprochen und abgebildet, sondern auch bewusst unsichtbar gemacht, ignoriert und dadurch ausgegrenzt.

48) Auf der Webseite kindergartenpaedagogik bzw. das Kita-Handbuch, ein Nachschlagewerk rund um die Entwicklung, Betreuung, Bildung und Erziehung von (Klein-)Kindern mit mehr als 900.000 Seitenaufrufen pro Monat [14]

Screenshot von der Startseite der Webseite: https://www.kindergartenpaedagogik.de/

49) gibt es 9 Beiträge zum weiten Feld Geschlechtergerechtigkeit, Geschlechtersensibilität und Geschlechterdifferenz oder geschlechtsbewusste Pädagogik. [15] In allen Beiträgen gibt es nur 2 Geschechter.

50) Der Autor T.Rohrmann des Artikels „Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen“ drückt sich zwar sehr vorsichtig aus im Vergleich zu Mascher. Er empfiehlt jedoch am Ende seines sehr langen Textes das bereits erwähnte Buch von Melitta Walther.

Siehe Text.

51) D.h. auch hier kann mensch erkennen, dass sowohl Melitta Walther, die Buchautorin, als auch Tim Rohrmann davon ausgehen, dass es

52) a) nur 2 Geschlechter gibt nämlich Frau/Mann bzw. Mädchen/Junge
b) dass diese 2 Geschlechter verschieden sind bzw. sich unterscheiden
c) dass diesen Unterschieden Rechnung getragen werden müssen, um der „Gerechtigkeit“ der Geschlechter willen.

53) Daraus folgt dann eine Pädagogogik oder ein Angebot, d. auf geschlechtsspezifischen Rollenkonstrukten basiert und diese zusätzlich noch festschnürt.

54) Dies geschieht mittels unterschiedlicher bzw. geschlechtsspezifischer Angebote für Mädchen und für Jungen und unterschiedlichen Anforderungen an die 2 Geschlechter.

55) Und jetzt gegen Ende dieses Threads sind wir wieder am Anfang angelangt + können feststellen, dass die Unterschiede zwischen einem christlichen Fundi (Konstantin Mascher) + der Mitte™ im Hinblick auf vermeintliche Geschlechtergerechtigkeit sich nur sprachlich unterscheiden.

56) Wer es also ernst meint mit der Geschlechtergerechtigkeit, lässt jedes Kind/jede:n Jugendliche:n werden was he/she/they werden will, lässt sie ihre individuellen Interessen verfolgen, lässt ihnen die Freiheit sie selbst zu werden,

57) ganz ohne Manipulation, ganz ohne Beeinflussung, ganz ohne Druck.

58) Wer es also ernst meint mit der Geschlechtergerechtigkeit, fragt stets nach, sobald der Begriff fällt und verfolgt aufmerksam den vorhandenen Kontext, um den LGBTQI-feindlichen/misogynen Äußerungen etwas entgegenhalten zu können.