Zur Frage, ob es gemäßigte Evangelikale gibt

In letzter Zeit werden meine Beiträge zum Thema Evangelikale häufiger kommentiert mit dem Hinweis ich müsse differenzierter vorgehen, denn unter Evangelikalen gäbe es auch „die Guten“ oder „die Modernen“.

Deshalb folgt hier ein Beitrag mit Überlegungen zu diesen Einwänden. Als Entgegnung sozusagen.

Zunächst möchte ich versuchen die Frage beantworten: Was ist Evangelikal oder Evangelikalismus? Wikipedia schreibt dazu folgendes: „Die relativ junge Bezeichnung evangelikal bedeutet „auf das Evangelium zurückgehend“ und ist heute ein feststehender Ausdruck für ein Christentum geworden, das sich auf besondere Weise als bibeltreu versteht und sich daher von liberaler Theologie und Säkularismus abgrenzt.[1]

Evangelikal als Adjektiv oder Eigenschaftswort wird von evangelisch unterschieden. Zentral für Glauben und Leben von evangelikalen Strömungen oder Gruppierungen ist die Bibel als höchste Autorität, meistens wird sie als irrtumsfrei interpretiert oder angesehen.

Ein Beispiel dafür ist die sog. Chicago-Erklärung aus dem Jahr 1977. Sie führt zu Artikel I, der so lautet: „Wir bekennen, dass man die Heilige Schrift als das autoritative Wort Gottes aufnehmen muss.[2]

Wer dieses Bekenntnis übernimmt, wird dem Inhalt des Buches von Ulrich Parzany von der BekenntnisbewegungDu musst Gott mehr gehorchen als den Menschen“ in jeder Hinsicht zustimmen.

Der Bibelbund e.V. bekennt sich zur Chicago-Erklärung und er gilt laut Stephan Holthaus (FTH Gießen) „bis heute eine wichtige Phalanx gegen die liberale Theologie, auch in der evangelikalen Bewegung“. [3]

Der Bibelbund begrüßt auf seiner Webseite die massiven Einschränkungen in den USA des Schwangerschaftsabbruchs und schrieben dazu: „Mehr Rechte für Ungeborene in den USA“. [4]

Jetzt haben „wir“ schon zwei Merkmale von Evangelikalismus: die Irrtumslosigkeit der Bibel und die Unterwerfung des Menschen unter ein Schriftstück, das aus 66 Büchern besteht und das über einen Zeitraum von 1.500 Jahren geschrieben wurde, und die Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen.

Aber es kommen noch weitere hinzu. Denn wer von der Irrtumslosigkeit der Bibel überzeugt ist und fest daran glaubt, wird auch die Nashville-Erklärung unterstützen und die besagt u.a., dass Gott Mann und Frau als sein Ebenbild erschaffen hat.

Daraus folgt nicht nur eine misogyne Grundhaltung und ein autoritärer Charakter, sondern auch eine queerfeindliche oder LGBTIQ-feindliche Einstellung, die Transfeindlichkeit beinhaltet und grundsätzlich ebenso eine körper- und sexfeindliche Grundhaltung.

Natürlich gibt es Gruppierungen, die die gleichgeschlechtliche Ehe segnen wollen oder den „evangelikalen Feminismus“, [5] aber ehrlich gesagt,, kann ich diesen Gruppierungen nichts abgewinnen. Denn „evangelikale Feminist*innen“ sind nicht queerfeministisch und eben sowenig intersektional.

Ihr Menschenbild basiert auf männlich/weiblich und schließt damit trans und nonbinäre Personen aus.

Katherine Hayhoe, Klimaforscherin bzw. Atmosphärenforscherin und evangelikale Christin, wird von manchen als „Brückenbauerin“ erachtet. Doch kann sie das sein? Könnten oder sollten Linke gemeinsam mit Evangelikalen Klimakaktivst*innen zusammenarbeiten?

Ich würde sagen nein, denn Katharine Hayhoe kann allenfalls Einfluss unter Evangelikalen und Konservativen nehmen, wird sie doch selbst den Konservativen zugeordnet. „Klimafakten“ schrieb über Hayhoe als Klimawissenschaftlerin und evangelikale Christin verleihe ihr dies Glaubwürdigkeit bei Konservativen und erlaube ihr so, „Klimafakten an eine besonders skeptische Zielgruppe zu bringen“. [6]

Und das tut sie auch. So war sie 2020 Rednerin der Social Media Kampagne der Evangelikalen der WEA (Weltweite Evangelische Allianz). Hier wird sie als WEA-Botschafterin für Klimaschutz bezeichnet. [7]

Die WEA ist die Dachorganisation für die Evangelikalen der Evangelischen Allianz. Die EAD (Evangelische Allianz in Deutschland) gehört dazu.

Mit 600 Mio. Menschen als Mitglieder oder Mitstreiter*innen ist die WEA „international die größte kirchliche Vereinigung nach der Römisch-Katholischen Kirche“. [8]

Domradio schrieb: „Sie gehe bewusst auf solche Leute zu, die glauben, dass der Klimawandel gar nicht real sein könne, weil doch Gott sowieso alles kontrolliert.

Wir haben schnell gemerkt, dass es für diese Menschen überhaupt keine geeigneten Informations-Materialien gibt, die sie dort abholen, wo sie stehen„, sagt Hayhoe.“ [9]

Außerdem argumentiert sie, dass Glaube und Wissenschaft nicht in direkter Konkurrenz stehen und keine zwei alternativen Glaubenssysteme sind. [10]

Anerkennen muss ich ebenfalls, dass eine neue Studie zu dem Ergebnis kommt, „dass eine Vorlesung der evangelikalen Klimaforscherin Katharine Hayhoe evangelikale College-Studenten erfolgreich unterrichtet und damit den Ansatz der „vertrauenswürdigen Quellen“ bestätigt“. [11]

Weiter kann ich allerdings nicht differenzieren, denn Katharine Hayhoe gehört einer evangelikalen Kirche in Texas an, der Ecclesia ChurchWithoutReligion.com, wo ihr Mann Andrew Farley Pastor ist.

Sie selbst ist Tochter von Missionaren und hat erklärt, dass das Eingestehen ihres Lebens als Christin und Wissenschaftlerin „wie aus dem Schrank gekommen“ ist.“ [12] (in deutscher Übersetzung)

Bei der oben genannten und von Farley gegründeten Kirche handelt es sich um die Grace Church, deren Mitglieder/Mitstreiter*innen, daran glauben,

(…) dass die Bibel das mündlich inspirierte Wort Gottes ist und ohne Fehler, wie es ursprünglich geschrieben wurde. Es ist die vollkommene Offenbarung seines Heilswillens und die einzige unfehlbare Regel des Glaubens und der Praxis für das christliche Leben.[13]

Womit ich wieder beim Bekenntnis zur Unfehlbarkeit der Bibel angekommen bin. Da Katharine Hayhoe dieser Kirche angeschlossen ist, gilt ihr öffentlicher Aktivismus nur dem von Menschen gemachten Klimawandel.

Radikale Linke, Antiautoritäre oder Anarchist*innen sollten deshalb die Zusammenarbeit mit evangelikalen Christ*innen, wie Katharine Hayhoe, auch im Hinblick auf den Klimaaktivismus grundsätzlich ablehnen.

Denn wer die Bibel als unfehlbar erachtet, ist fest davon überzeugt oder glaubt, dass Gott nur Mann und Frau geschaffen hat. Ich denke mehr Differenzierung ist nicht angebracht.

#NoGods #NoMasters #EvangelikaleSindGefährlich