Der Marsch für das Leben im gesellschaftlichen Kontext betrachtet

Teil II: Der „Marsch für das Leben“ im gesellschaftlichen Kontext betrachtet.

1) Ganz besonders in diesem Jahr zeigt der „Marsch für das Leben“, organisiert vom Bundesverband Lebensrecht (BVL), seine menschenverachtende Seite.

2) Würde die Mitte™ oder Mehrheitsgesellschaft nicht permanent ignorieren, wegschauen und/oder verharmlosen, so würde sie die verabscheuungswürdige Bigotterie und Gefährlichkeit sog. „Lebensrechtler“ oder „Lebensschützer“ erkennen können.

3) Springt sie eine:n doch regelrecht an.

4) Denn genau die Bundestagsabgeordneten der CDU, die sich in ihren Grußbotschaften überschlagen, um deutlich zu machen wie wichtig ihnen das „Recht auf Leben“ ist, sind dieselben Personen, die gegen die Aufnahme geflüchteter Menschen stimmten, die das Hau-Ab-Gesetz möglich

5) gemacht haben und die genau zu einem Zeitpunkt, an dem sich in Moria menschliche Tragödien ereignen, schweigen oder sich empören, dass die Gequälten, die Leidenden, die Traumatisierten, die Entwurzelten und die Kasernierten geflüchteten Menschen aufbegehren.

6) In diesem gesellschaftlichen Klima verbreitete das Sprachrohr der Evangelischen Allianz Deutschland (EAD) idea am 13.9. die Warnung vor dem Erstarken des IS. [1]

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7) Als dieser Artikel erschien, mangelte es den Geflüchteten, darunter viele Kinder, aus dem abgebrannten Kasernierungslager Moria seit Tagen an Wasser, Nahrung, Decken, Kleidung, Sicherheit, medizinische Versorgung, Perspektiven für ihre Zukunft und Obdach, also kein Lager.

8) Die überlebenden Geflüchteten mussten unter freiem Himmel schlafen, wurden von Cops angegriffen und Rassist:innen (von der Tagesschau als Bürger bezeichnet) hatten Straßenbarrikaden errichtet, um den Weg zum Hafen abzuriegeln. [2]

9) Zum menschlichen Leid, zur Katastrophe, äußerte sich idea erst 2 Tage später am 15.09.2020 in einem Pro und Contra zur Frage, ob „Deutschland alle Flüchtlinge aus Moria aufnehmen“ soll. [3]

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10) Interessant ist in diesem Fall die Pro-Kontra-Konstellation von Uwe Heimowksi, dem Grußwortscheiber aus den Reihen der EAD, und Alexander Krauß, Mitglied im Berliner Kreis der CDU,

11) der z.B. im November 2018 einen Vortrag für die WerteUnion zum Thema „Wieviel Migration verträgt Deutschland?“ gehalten hat.

12) Mensch kann sich vorstellen, welche rassistische/menschenverachtende Botschaft idea weiterverbreitet. Nur soviel dazu.

13) Am selben Tag, nämlich am 15.9.2020, und um dagegen zu halten, berichtete ein Twitter-Account, [5] dass die griechische Regierung Flyer an Geflüchtete auf Lesbos mit der Warnung verteile, gingen sie nicht ins neue Camp, könnten sie keinen Asylantrag stellen. WTF!

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14) Wenn es um die Aufnahme geflüchteter Menschen geht ist in den sozialen der Mob am Toben. Ungehindert lassen diese ihrem Rassismus freien Lauf und formulieren Sätze wie es dürfe kein weiteres 2015 geben.

15) Genau zu jenem Zeitpunkt veröffentlichte idea wohlbedacht jene Warnung,

16) die die Ressentiments/Vorurteile/Ängste/Stereotypen gegen geflüchtete Menschen, vor allen Dingen gegen junge Männer, weiter anheizen dürfte und veröffentlichte kurz danach jenes Pro und Contra.

17) Hängen bleibt von diesem, dass es auch okay ist sich für ein Nein zu entscheiden. Hängen bleibt, dass Humanität auch mit Nein beantwortet werden darf und dass Unmenschlichkeit nichts Verwerfliches ist. WTF!

18) Bereits seit Monaten berichten Recherchekollektive, antifaschistische Gruppen/Einzelpersonen, Journalist:innen und Aktivist:innen von der Teilnahme von Evangelikalen/christlichen Fundis an sog. „Hygienedemos“ oder Demonstrationen sog. „Corona-Rebellen“,

19) also rechten bis extrem rechten/Querfront-Demonstrationen gegen die Maßnahmen zum Schutz vor Corona.

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20) Gemeinsam demonstrieren/demonstrierten Evangelikale/christliche Fundis mit Holocaustleugner:innen Seit an Seit, mit durch Kleidung/Tättowierungen erkennbaren Neonazis, mit Demonstrationsteilnehmer:innen mit Reichskriegsflaggen … und stören/störten sich nicht daran.

21) Das Sprachrohr der EAD, also idea, hatte auch für diesen Fall vorgesorgt.

22) Am 08.08.2020, nur wenige Tage nach der ersten Großdemonstration in Berlin, initiiert von Querdenken, erschien der Artikel: „Verfassungsschutz-Chef: Rechtsextreme prägen Corona-Demos nicht“

23) und weiter unten im Text war zu lesen: „So entstehe aber ein falsches Bild: Sie prägen das Demonstrationsgeschehen oder die inhaltliche Debatte derzeit nicht.“ [8]

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24) Wenige Tage vor der nächsten Großdemo organisiert von Querdenken 711 in Berlin am 29.08.2020, veröffentlichte idea ein Pro und Kontra zur Fragestellung: „An Anti-Corona-Demos teilnehmen?[9]

25) Am 31.08.2020 berichtete idea: „Evangelikale demonstrierten in Berlin gegen die Corona-Politik“. [10]

26) Am 09.09.2020 folgte dann die Debatte: „Parzany: Corona darf uns Christen nicht spalten“, in der Ulrich Parzany von der Bekenntnisbewegung (und Grußwortschreiber für den Marsch für das Leben 2020 sowie bekannt als Autor des Buches: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“)

27) den Begriff der „Jesus-Demonstranten“ erfand. [11]

28) Idea hat also den Weg geebnet für die Verharmlosung der Teilnahme an derartigen Demonstrationen und auch für die Teilnahme an Demonstrationen gemeinsam mit Impfgegner:innen.

29) Da der „Marsch für das Leben“ während einer Pandemie (SARS-CoV-2) stattfindet, sollte auch die Impfskepsis von Abtreibungsgegner:innen in den Fokus gerückt werden und damit die inhaltliche Nähe zu den oben genannten Verschwörungsideolog:innen,

30) die dem vermeintlichen Impfzwang den Kampf angesagt haben.

31) Zu den Grußwortschreiber:innen 2020 gehört auch Radio Horeb, einer der individuellen Unterstützer:innen des Marsch für das Leben 2020. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf folgenden Thread

32) ab 21) geht es um die Einstellung zum Impfen von Abtreibungsgegner:innen und um den Podcast von Radio Horeb zum Thema „Impfen – pro und contra unter ethischen Gesichtspunkten“. [12]

33) Impfstoffe, so die Moderatorin des Podcasts, würden von Zellen von „abgetriebenen Kindern“ stammen und könnten daher auch in dem zukünftigen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 enthalten sein. Das stimmt zwar so nicht, dürfte aber die Skepsis gegen Impfstoffe weiter anheizen.

34) Auch die aktuelle Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht (BVL), der der EAD nahesteht, Alexandra Maria Linder gehört zu den Impfskeptiker:innen. Sie schrieb 2015 für kathnet einen Artikel über ihr Buch „Geschäft Abtreibung“. Nachzulesen hier: https://archive.is/LqoKU

35) Verkaufte Reste von abgetriebenen Kindern, so Linder, seien in Impfstoffen enthalten, in Mittel zur Verjüngung (!) und Behandlung von Krankheiten und sie würden eingesetzt, um Tierversuche zu vermeiden.

36) So kam sie zu der „Erkenntnis“: „Zynisch formuliert könnte man sagen, dass Menschenversuche die Tierversuche ersetzen.Mehr dazu ab 26) hier

37) Auch der Organ- und Gewebebereich sei als Verwendungsmöglichkeit international gängig, schrieb Linder, die in diesem Zusammenhang die Bezeichnung: „fötale Organernte“ verwendete und konstatierte,

38) dass der Bedarf auch aufgrund von Überalterung und neurodegenerativen Erkrankungen weiter zunehmen werde.

39) Das Buch wurde bereits 2009 veröffentlicht. Doch wenn mensch den Beitrag in kathnet aufmerksam gelesen hat, dann lassen sich Gemeinsamkeiten von Impfgegner:innen und Verschwörungsideolog:innen feststellen und zwar ganz aktuell.

40) Noch während die Verfasser:innen dieses Threads über jene inhaltliche Nähe reflektierten, erschien auf der Webseite der BVL eine Stellungnahme von Alexandra Linder.

41) Zitat: „Aktuell kursieren Gerüchte und Behauptungen, der Marsch für das Leben sei eine „Anti-Corona“-Demonstration oder werde durch solche und weitere Fremd-Themen oder -Bewegungen unterwandert.[13]

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42) In Anbetracht von Fahrgemeinschaften in Form von Sonderbussen und Zügen ist es unmöglich eine Beteiligung am „Marsch“ durch sog. „Coronarebellen“ oder extreme Rechte oder Verschwörungsideolog:innen auszuschließen.

43) Und da erwiesen ist, dass auch Evangelikale an Anti-Coronamaßnahme-Demonstrationen teilgenommen haben, liegt ihre Beteiligung buchstäblich auf der Hand.

44) Da mag Linder noch soviel schreiben wie sie will. Es ist nur heiße Luft.

45) Zumal in den vergangen Jahren auch AfDler:innen zu den Teilnehmer:innen gehörten (z.B. Beatrix von Storch) oder z.B. der Diakon und Holocaustleugner Ralf Löhnert, der auch an „Gedenkmärschen“ für den Hitler-Stellvertreter

46) und Kriegsverbrecher Rudolf Heß 2017 und 2018 in Berlin teilgenommen hatte. [14] Meist in der ersten Reihe.

47) In diesem Jahr mobilisiert die extrem rechte Onlineplattform Journalistenwatch für den „Marsch für das Leben“. Sie hat den Marsch in den Patriotenkalender aufgenommen.

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48) Dort ist das misogyne/LGBTQI-feindliche/evangelikale Spektakel eingebettet in „Grundrechte verteidigen!“, einer Webseite des Europaabgeordneten der AfD Joachim Kuhs, der 2019 auf seiner Webseite verkündet hatte:

49) Zitat: „Der Bundesvorstand der AfD begrüßt diesen Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft nachdrücklich.[15]

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50) Zusätzlich umgeben von Werbung für den Bund gegen Anpassung, den Patriotenshop von Journalistenwatch und Phalanx Europa, [16] die u.a. Kleidung von Identitäre für Identitäre anbieten.

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51) Und auch die WerteUnion unterstützt den Marsch für das Leben (Stand 14.09.2020), [18] weist auf den Veranstaltungsort und -zeitpunkt hin mit dementsprechender Verlinkung.

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52) Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der „Marsch für das Leben“ am 19.09.2020 in Berlin mitnichten ein humanitäres Anliegen verfolgt,

53) sondern durch und durch menschenverachtend und bigott ist und dem sich alle, denen es irgendwie möglich ist, entgegenstellen sollten.

#Alerta!

Nachträgliche Ergänzung vom 19.09.2020:

Denn auch das gehört zum gesellschaftlichen Kontext „Whistleblowerin prangert Zwangssterilisation in US-Lager für Eingewanderte an[18]

oder

Erschütternde Menschenrechtsverletzung“: Whistleblowerin berichtet von Zwangssterilisationen in US-Auffanglager [19]