Teil 1
Im Abstand von zwei Jahren findet die evangelikale Messe Kongress christlicher Führungskräfte (KcF) statt. Coronabedingt war der Kongress 2021 digital. In diesem Jahr, vom 27. bis 29. April 2023, findet er wieder live statt und zwar in Berlin.
Was ist der evangelikale KcF?
Er ist eine Messe mit Aussteller*innen, mit Seminaren, mit Vorträgen, Diskussionsrunden in einem sog. Plenum und einem Rahmenprogramm.
Was will der evangelikale KcF?
Er fordert laut Eigenangaben die Verantwortlichen „in Unternehmen heraus, die Ethik der christlichen Botschaft auch im Berufsleben umzusetzen“. [1] Die „Christliche Botschaft“ des KcF, der ein Zweckbetrieb von idea, dem Sprachrohr der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) ist, basiert allerdings auf der Glaubensbasis der EAD.
Das bedeutet ihre Ethik oder ihr Glauben basiert auf Misogynie, LGBTIQA+-feindlichkeit, einem autoritären Charakter, auf einer konservativen Ideologie und einer sehr strengen Bibelauslegung.
Der KcF will zusätzlich auch Einfluss auf Politik und Gesellschaft nehmen. Das beweist die Auswahl der Referent*innen. So werden aus der Welt der Politik der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, MdB Otto Fricke, der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg, Jörg Steinbach, der Vorsitzende der CDU, MdB Friedrich Merz angekündigt und angefragt wurde noch der Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing.
Aus der Welt der Universitäten/Hochschulen/Forschung/Wissenschaft sind als Referent*innen vorgesehen: Prof. Dr. Dorothea Alewell (Universität Hamburg), Prof. Dr. rer. pol. Ottmar Edenhofer (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), Prof. Dr. Christian Müller (Universität Münster), Tony Rinaudo (Preisträger des Alternativen Nobelpreises).
Desweiteren vertreten ist die Bild (Daniel Böcking), INSA-CONSULERE GmbH (Hermann Binkert), thyssenkrupp (Felix Bader), Daimler Truck AG (Martin Daum),
t-online (Miriam Hollstein), BNP Paribas (Daniel Hoster), KfW Bankengruppe (Dorothea Lindner), Friedhelm Loh Group (Friedhelm Loh), TÜV SÜD AG (Elke Wurster), Mustang Jeans (Rebecca Kazav) …
Außerdem noch der Botschafter Israels in der BRD Ron Proser, Raphael Bonelli mit seinen Verbindungen zum Opus Dei, Alexander Kissler von der NZZ, der Moderator des MotzMobils bei Pro7 Nils Petrat … .
Zusätzlich werden noch ein Zukunftsexperte oder zum Beispiel auch ein Ermutiger und Überlebensberater einen Vortrag halten.
Und damit der Kreis der Referent*innen sich nicht nur auf weiße Referent*innen erstreckt wird auch Jackie Katana vertreten sein. Sie verleiht dem Forum einen vermeintlich antirassistischen und einen vermeintlich feministischen Aspekt.
Denn Jackie Katana ist Mitbetreiberin von Femynine, einem Onlineshop und Unternehmen das wiederverwendbare Perioden-Pantys verkauft. Sie möchte sich mit dem Verkauf der Perioden-Panties nicht nur einen Herzenswunsch erfüllen, „sondern auch in Zukunft allen Frauen und Mädchen in ärmeren Ländern auf dieser Welt, die Möglichkeit geben ihre Tage zu erleichtern und ihnen dadurch die Würde wieder zurückzugeben.“ [2]
Zum Abschluss dieses 1. Teils Screenshots mit Fotos der angekündigten 61 Referent*innen des KcF 2023. [3] Sie zeigen auch die Vernetzungen, die durch die Mitarbeit beim KcF entstanden sind.
Teil 2
Beim evangelikalen Projekt „Deutschland Betet Gemeinsam“ konnte mensch erkennen, wie viel prominente Unterstützer*innen bewirken können. Nachdem sich nämlich eine Vielzahl von Politiker*innen als Unterstützer*innen öffentlich äußerten, darunter insgesamt 19 MdBs, und Prominente wie z.B. Peter Maffay wurde der erste Lifestream ca. 5 Mio. Mal geschaut, aber ohne Prominenz war das Interesse am 2. Lifestream erheblich geringer.
D.h. prominente oder bekannte Gesichter können evangelikale Veranstaltungen oder Events, zu denen der KcF gehört, durch ihre Anwesenheit aufwerten und evangelikale Ideologie durch Verharmlosung unter’s „Volk“ bringen.
An einem konkreten Beispiel soll das im Hinblick auf den KcF 2023 erläutert werden. Denn zu den Referent*innen gehört auch Andrea Ballschuh, die bis Januar 2022 verschiedene Sendungen wie z.B. Drehscheibe, Hallo Deutschland oder Leute heute moderierte.
Sie war beim SWR1 tätig, beim ZDF, beim mdr, arbeitete laut Wikipedia mit Apollo-Optik zusammen, „um die Sehgesundheit zu fördern“ und 2009 trat sie als Testimonial für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft auf. [4] Auf ihrer Webseite stellt sie sich als Videocoach vor.
Als Referenzen kann sie Boehringer Ingelheim, Pfizer, Generali und z.B. die Allianz angeben. [5]
Sie ist also ein bekanntes Gesicht und verfügt über dementsprechende Referenzen und Kompetenzen. Bei Youtube gibt es mehrere Videos mit ihr als über die Serie The Chosen. „Die weltweite erste Serie über das Wirken von Jesus mit bereits über 400 Millionen Zuschauern“.
In einem Interview ist sie im Gespräch mit Johannes Hartl, Initiator von Deutschland Betet Gemeinsam und vom Gebetshaus Augsburg. Beim Gebetshaus Augsburg beobachtet(e) die Freiburger Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer „Züge einer sektiererischen Ausrichtung“.
Zitat: „Mit „Schwarz-Weiß-Malerei“ spreche Hartl vor allem jüngere und konservative Kreise an, sagte Nothelle-Wildfeuer. „Für mich weisen viele seiner Reden demagogische Züge auf.“
In seinen Ausführungen verzichte Hartl zumeist auf „Differenzierungen und komplexe Wirklichkeiten, von denen auch das Zweite Vatikanum gewusst hat“.
Zu Beginn dieses Jahres veröffentlichte Hartl zusammen mit anderen Katholiken zehn Thesen für einen „missionarischen Aufbruch“ in der Kirche. Die „Thesen für das Comeback der Kirche“ erschienen auch in Buchform. Auch dieses „Mission Manifest“ berge die Gefahr einer „Versektung und Evangelikalisierung der katholischen Kirche“, warnte Nothelle-Wildfeuer.“ [6]
Das belegt z.B. These 2: „Wir wollen, dass Misssion zur Priorität Nummer eins wird“. [7]
Unter missionarische Möglichkeiten wird z.B. Elijah21 aufgeführt. Die Missionierung von Muslima*Muslime.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das veröffentlichte Buch „Mission Manifest – Die Thesen für das Comeback der Kirche“. Die Zehn Thesen stammen u.a. aus der Feder von Johannes Hartl und Sophia Kuby, die über Verbindungen zum europaweiten antifeministischen LGBTIQ-feindlichen Network Agenda Europe verfügt.
Zurück zur Moderatorin Andrea Ballschuh, die sich durch ihre Beteiligung an den Interviews nicht nur an Worship (also Lobpreisung) beteiligt hat, sondern auch einen Beitrag zur Verharmlosung des christlichen Fundis Johannes Hartl geleistet hat.
Sie, die sympathische Moderatorin, bekannt aus dem Fernsehen, dürfte darum beim KcF ein breites Publikum ansprechen, darunter auch das christlich Fundamentale/Evangelikale.
Und genau darauf wollen wir hinaus. Obwohl der KcF ein evangelikales Event ist, erscheint in diesem Jahr die Zusammensetzung der Referent*innen und Redner*innen sehr viel breiter zu sein, als in den Jahren zuvor. Es scheint auch so, als ob sich die Veranstalter*in noch mehr Gedanken über die Zusammensetzung gemacht hat als in den Jahren zuvor.
Denn der Neurowissenschaftler, Psychiater und Therapeut Raphael Bonelli mit Verbindungen zum Opus Dei und den Legionären Christi wird wiederum ein anderes Publikum ansprechen als Ballschuh. Bonelli wird es gelingen coronaleugnende oder verschwurbelte Evangelikale und Fundis anzusprechen.
Der Standard beschrieb ihn 2021 als „Impfangstmacher“, als einen Wortführer der „Impfskeptiker“, [10] der zu „Österreichs schlechter Impfquote“ beitrage. Immerhin hat er sich an AllesAufDenTisch beteiligt.
Er wird also ein anderes Publikum ansprechen als z.B. der Referent Friedrich Merz oder Otto Fricke von der FDP oder Alexander Kissler von der NZZ, der wiederum das Spektrum „neuer“ Rechter unter den Evangelikalen ansprechen wird. Er stellte u.a. 2016 sein neuestes Buch in der Bibliothek des Konservatismus (BdK) vor. [11] Damals war er noch Feuilleton-Chef des Cicero.
Der Botschafter des Staates Israel Ron Prosor als Referent wird wiederum ein anderes Publikum ansprechen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass sich die EAD nicht explizit gegen die Judenmission ausgesprochen hat. Es existiert allerdings das Bekenntnis „Christen und messianische Juden gehören zusammen“. [12] Ron Prosor kann also darüber hinwegtäuschen, dass durchaus Antijudaismus oder auch Antisemitismus bei Evangelikalen existiert.
Wir, das Recherchekollektiv Dokumentieren Gegen Rechts, betrachten die sorgfältige Auswahl von Referent*innen, die ein sehr breites Spektrum von Publikum ansprechen und anlocken oder akquirieren, als Ausdruck einer „christlich missionierenden Offensive“. Denn die Zeiten sind günstig für eine christliche Rechte oder „Christian Right“, die Macht in der Politik und der Gesellschaft anstreben.