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In diesem Beitrag geht es u.a. um Jan Fleischhauer, um Verlage, Medien, Organisationen und um die Buchmessen (Leipzig, Frankfurt) im Allgemeinen.
„Wir“ schauen zunächst zu Jan Fleischhauer, der am 05.02.2022 eine Focus-Kolumne geschrieben hat und in dieser die Frage stellte „War Hitler ein Linker?“ [1]
In diesem Artikel berief er sich mehrfach auf den Historiker, Autor, Herausgeber und Hitler-Biograph Joachim C. Fest. Einen Historiker den die sog. „neue“ Rechte sehr gerne zitierte. [2] Genau wie Fleischhauer auch.
Fleischhauer hat einen Twitter-Account mit 177.085 Follower*innen darunter z.B. die extrem rechte Influencerin Anabel Schunke, H.G- Maaßen, Ali Utlu, Benedikt Brechtken, Don Alphonso, Norbert Bolz.
Er selbst folgt u.a. den beiden letztgenannten sowie dem Klimawandelleugner Roger Köppel, Boris Reitschuster, Roland Tichy, Andreas Hallaschka, dem Umfeld der Junge Freiheit und Matthias Matussek, den er auch persönlich kennt vom Geburtstagsfest 2019. Mattusek hatte eingeladen und feierte u.a. mit Fleischhauer, Erika Steinbach, Reinhold Beckmann, Dieter Stein, Alexander Kissler und dem vorbestraften identitären Kader Mario Müller.
Man(n) kennt sich eben.
Fleischhauer hielt 2018 eine Rede auf dem Burschentag in Eisenach, organisiert von der Deutsche Burschenschaft (DB).
Hier schrieb er über „Die Erfindung des Opfers“.
Wenn Fleischhauer nicht für den Focus schreibt, nicht bei Servus TV seine 9 Minuten hat, [4] nicht in einer Interviewreihe von Bunte zu sehen und zu lesen ist, dann schreibt er auch Bücher.
Zum Beispiel 2012 „Der Schwarze Kanal: Was Sie schon immer von Linken ahnten, aber nicht zu sagen wagten.“ Erschienen im Rowohlt-Verlag.
„Niemand in Deutschland vermag es, die linken Lebenswelten so boshaft-elegant zu sezieren wie Fleischhauer“. So steht es auf der Rückseite des Covers.
Sogar Henryk M. Broder vom islamfeindlichen, rassistischen und in Teilen verschwörungsideologischen Blog Achse des „Guten“ wird zitiert.
«Es ist ein Genuss, Fleischhauer zu lesen – so viel kluge Bosheit kommt selten so leichtfüßig daher.»
Entscheidend in diesem Zusammenhang erscheint mir das Verb „sezieren“ zu sein, was nichts anderes bedeutet als einen Leichnam im Rahmen anatomischer Studien zu öffnen und zu zerlegen.
Eine, wie ich finde, sehr gewalttätige Umschreibung im Zusammenhang mit Linken, die nicht vom Cover eines Buches aus dem Antaios-Verlag oder vom Manuscriptum-Verlag stammt, sondern vom Rowohlt Verlag.
Einem Verlag, der nicht genuin rechts, extrem rechts oder neofaschistisch ist.
Auch auffallend ist auch das Narrativ „Dauermoralisierung“. Anzumerken sei in diesem Zusammenhang, dass Begrifflichkeiten mit Moralisierung von Rechten sehr gerne verwendet werden.
Im Juli 2022 erschien ein weiteres Buch von Fleischhauer „How dare you!: Vorm Vorteil eine eigene Meinung haben, wenn alle dasselbe denken.“
Erschienen ist das Buch im Siedler Verlag, der seit 1983 zur Penguin Random House Verlagsgruppe, einem Unternehmensbereich des Medienkonzerns Bertelsmann, gehört.
Gegründet wurde der Verlag von einem Vertreter der sog. „neuen“ Rechten nämlich von dem Publizisten Wolf Jobst Siedler, der bei Bertelsmann in beratender Funktion tätig war [6] und der auch zu den Ehrenpreisträgern der Förderstiftung für konservative Bildung und Forschung (FKBF), dem Trägerverein der Bibliothek des Konservatismus (BdK), einem Think Tank „neuer“ Rechter, gehört. Gemeinsam mit der „neu“rechten Wochenzeitung Junge Freiheit verleiht die FKBF den besagten Preis. [7]
Interessant ist in diesem Zusammenhang mit welchen Verlagen Siedler in der Vergangenheit zusammengearbeitet und wo er seine Spuren hinterlassen hat. Es waren Verlage, die nicht als genuin extrem rechts oder neofaschistisch beschrieben werden können.
Sehr viel mehr als es auf den ersten Blick scheint. Denn sowohl der Focus, Ullstein, die FAZ, Die Welt …, als auch der Rowohlt Verlag und die Bertelsmann-Stiftung waren bereits Aussteller*innen auf den Buchmessen in Frankfurt und/oder Leipzig.
Und mindestens genauso oft wie die Buchmessen stattfinden, wird die Teilnahme von rechten, extrem rechten und neofaschistischen Verlagen zu Recht kritisiert.
Doch die Diskussionen und Forderungen, sowie der notwendige Widerstand inkl. Aktivitäten dürfen hier nicht enden.
Der kritische Blick darf nämlich nicht nur das Offensichtliche erfassen, also vorzugsweise auf den Antaios-, Manuscriptum-, Jungeuropa-Verlag oder die Deutsche Stimme schauen, sondern muss tiefer gehen und genau in die Mitte hineinsehen und die Wechselwirkung von Journalist*innen, Publizist*innen, Verlagen, Organisationen erkennen. Wie sie sich gegenseitig die braunen Bälle zuwerfen, sich bestätigen, noch mehr hetzen und gleichzeitig so dazu beitragen die Diskursverschiebung der Mitte noch weiter nach rechts zu treiben.
Einer gesellschaftlichen Mitte aus der dieselben Propagandist*innen entstammen, die den Gastbeitrag der SPD-Innenministerin für den VVN-BdA zum Anlass nahmen eine Hetzkampagne zu starten.
Fast orchestriert wirkte die Kampagne an der sich neben Fleischhauer u.a. auch Ulf Poschardt beteiligte und von „super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen“ schrieb. Nachzulesen in der Welt. [9]
Die Welt gehört zur Axel Springer SE. Auch hier treffen „wir“ wieder auf eine Aussteller*in der Buchmesse.
2020 erschien vom Chefredakteur die Welt, Ulf Poschardt, die Publikation „Mündig“ im Klett-Cotta Verlag [10] mit dem größten Sortiment an Schriften von und über Ernst Jünger. Klett-Cotta ist regelmäßige Aussteller*in.
Und wenn Ulf Poschardt und Jan Fleischhauer zusammenfinden und sei es nur in einem tweet, dann liest sich das so.
Dabei führt der Tweet über Ben Brechtken, den Vorsitzenden der JuLis Kreis Recklinghausen und Autor für den Cicero aus der Rubrik „Junge Stimmen“, [12] direkt zur FDP, deren Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) gemeinsam mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels einmal jährlich den Raif Badawi Award, also einen Preis an „herausragende, mutige Journalisten“, vergibt. [13]
Die Preisverleihung findet auf der Frankfurter Buchmesse statt.
2019 war die FNF Aussteller*in auf der Leipziger Buchmesse.
Und das ist jetzt dieselbe FDP, der auch der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, Geschäftsführer und Mitbegründer des Prometheus-Instituts, angehört. Dasselbe Institut, das Werbung für Ulf Poschardts Buch machte.
Dasselbe Institut , für das Ulf Poschardt die Eröffnungsrede bei der Einweihung der Bibliothek des Liberalismus gehalten hat. [14]
Dieselbe Partei, dieselbe Stiftung, die 2016 eine Veranstaltung mit Jan Fleischhauer organisierte. So verkündeten die FDP Bergisch-Gladbach und die FDP Kuerten [15] „Jan Fleischhauer kommt …“.
Auch die FDP Düsseldorf lud 2011 zu einer Lesung und anschließender Diskussion mit Fleischhauer ein. Veranstaltet wurde das Ganze von der FNF. Moderiert von Carlos A. Gebauer, [17] der gleichfalls in der FDP und Buchautor ist.
Interessanterweise kamen im Buch „Freiheit in Geschichte und Gegenwart – Festschrift für Gerd Habermann“ erschienen bei Olzog ein Imprint der Lau Verlag & Handel KG [18]
u.a. auch Frank Schäffler, Roland Tichy, Roger Köppel zu Wort.
Interessanterweise gehörte der Lau Verlag 2021 in Halle 3.1/C64 zu den Aussteller*innen der Frankfurter Buchmesse. [19]
Interessanterweise gehören zu den Verlagsautoren auch Gerd Schultze-Rhonhof, Gerd Habermann (Hayek-Gesellschaft), Joachim Starbatty (u.a. Ex-AfD), Carlos A. Gebauer (Hayek-Gesellschaft, FDP), Heinz Theisen (Netzwerk Wissenschaftsfreiheit), der extrem rechte katholische Fundi Felix Dirsch, Detmar Doering (Liberales Institut der FNF und John Stuart Mill Institut), Michael F. Feldkamp (Netzwerk Wissenschaftsfreiheit), der Hufeisenkönig Eckhard Jesse, Ernst Nolte, der Evangelikale Thomas Schirrmacher, Alfred de Zayas, Rainer Zitelmann … . [20]
Würden „wir“ nur das Offensichtliche im Auge behalten, wäre „uns“ das entgangen. Dann wüßten „wir“ auch nicht, dass Jan Fleischhauer 2020 auf der Webseite der Frankfurter Buchmesse als „Meister der politischen Kolumne“ bezeichnet worden ist.
Es gäbe noch viel zu sagen, doch irgendwann muss jeder Beitrag einmal enden. In diesem Fall mit vielen bitteren Erkenntnissen.