Im Kontext betrachtet

Dieser Beitrag mit allen Grafiken und Screenshots steht im Archiv zur Verfügung

Ursprünglich sollte hier eine kritische und mehr oder weniger emotionslose Auseinandersetzung mit der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) erfolgen. Warum das nicht möglich war und die BpB im Kontext betrachtet werden sollte, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Die diesjährige Frankfurter Buchmesse stellt eine Zäsur dar, ein Einschnitt. Erstmalig boykottierten schwarze Autorinnen die #fbm21 wegen der Teilnahme neofaschistischer/rechter Verlage, allen voran die Verlage Jungeuropa und Oikos.

Die schwarzen Frauen und Autorinnen taten dies nicht etwa schweigend, sondern lautstark.

Doch anders als im Jahr 2017 als die extrem rechte Buchhändlerin Susanne Dagen sich mit einem Aufruf, der Charta 2017, mit den extrem rechten und neofaschistischen Verlagen solidarisierte und mit der Charta den rechten Rand einsammelte, erfuhren die Neofaschisten in diesem Jahr Solidarität direkt aus der Mitte. Selbst die TAZ und die SZ stimmten mit ein. So wurden aus den bedrohenden Nazis die Bedrohten, die die es zu schützen gilt, angeblich um der Demokratie willen.

Aus den Bedrohten, den BIPoCs, den Opfern, den schwarzen Frauen, den Autorinnen wurden die Bedroherinnen.

Das nennt sich Täter-Opfer-Umkehr.

Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank solidarisierte sich ausdrücklich mit zwei namentlich genannten betroffenen Frauen und doch sang er mit im Chor derer, deren Stellungnahmen und Äußerungen zum Thema Meinungsfreiheit auch als entsolidarisierender Akt verstanden werden können. [nachzulesen hier]

Soviel dazu. Ich komme später noch einmal auf die Buchmesse darauf zurück.

Anderes Thema.

Die Pressefreiheit.

Immer wieder erneut wird sie gefährdet und in Frage gestellt z.B. von der Polizei und von CoroNazis oder den querdenkenden Faschist*innen, die seit der Corona-Pandemie Deutschlands Straßen unsicher machen und das nicht nur epidemiologisch, sondern auch ideologisch.

Ausführlich dokumentiert werden die Angriffe auf die Pressefreiheit u.a. vom Geschäftsführer der deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in verdi Berlin-Brandenburg. Die Fälle sind zahlreich und gehen stets einher mit Gewalt.

Im Oktober 2021 schrieb der Universitätsprofessor Prof. Dr. Peter Hoeres einen längeren Artikel für Die Neue Ordnung, einem Magazin das vom rechtskatholischen Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg e.V. (IfGW) herausgegeben wird.

Schon 2019 forderte die Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik in einer öffentlichen Stellungnahme auf Publikationen in Die Neue Ordnung zukünftig zu verzichten, da diese in ein „populistisches und extrem rechtes Fahrwasser“ geführt worden sei.2 Jahre später schreibt also der Universitätsprofessor Hoeres für Die Neue Ordnung einen längeren Artikel in dem er die „linke Dominanz“ als Problem für die Pressefreiheit ausgemacht haben will.

Idea das Sprachrohr der evangelikalen Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) berichtete darüber. Nachzulesen hier

Allüberall wittert der rechte Professor, der sowohl für TUMULT, für Tichys Einblick publiziert(e), 2019 die Petition Stop Gendersprache Jetzt! unterzeichnete, mind. 2x Referent für die Bibliothek des Konservatismus, einem Think Tank „neuer“ Rechter, gewesen ist und seit dem 04.02.2021 dem rechten und rassistischen Netzwerk Wissenschaftsfreiheit [.de] angehört, Linke. Gefährliche Linke.

Derselbe rechte und gut vernetzte Professor gehört zugleich aber auch dem wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) an.

Die BpB, die im Fuß auf ihrer Webseite schreibt: „Demokratie stärken – Zivilgesellschaft fördern“, denn das sei ihr Auftrag, so die BpB.

Screenshot der die Angaben im Thread belegt. Zu sehen ist eine Seite mit dem Spruch „Demokratie stärken – Zivilgesellschaft fördern“.

[1]

Und weiter:

„Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken. So steht es im Erlass des Bundesministeriums des Inneren.“ [2]

Nun fragt mensch sich wie das gehen soll, wenn zum wissenschaftlichen Beirat Personen gehören, die diesem Vorhaben entgegenstehen und die antidemokratisch sind. Denn Peter Hoeres ist kein Einzelfall.

Zwei weitere Professorinnen, präzise Prof. Dr. und Lehrstuhlinhaberinnen (Schirrmacher und Schröter), sind hier aufzuführen. [3] Sie gehören gleichfalls zum Netzwerk Wissenschaftsfreiheit.

Hier machen sie gemeinsame Sache mit Jörg Baberowski, mit Andreas Sönnichsen, einem Vertreter von Die Basis, mit Walter Krämer, der mit dem Hitler-Zitat im Schaukasten, den Klimawandelleugnern Dr. Hans-Joachim Dammschneider und Dr. Sebastian Lüning, … .

Mehr zum Netzwerk Wissenschaftsfreiheit hier

Christine Schirrmacher (Prof. Dr.), die stellvertr. Vorsitzende der BpB, gehört zum Hauptvorstand der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) und ist damit den Evangelikalen zuzuordnen.

Für Interessierte steht im Blog eine kritische zehnteilige Reihe über die EAD zur Verfügung, die zeigt was die EAD ausmacht und das ist nichts Gutes.

2020 unterzeichnete Schirrmacher den Aufruf Stoppen wir den politischen Islam, [4] unterstützte im selben Jahr den rechten Apell für freie Debattenräume [5] und gehört zum Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit. [6]

Sie war in der Vergangenheit Referentin für das Lindenthal-Institut (Opus Dei) und ist Leiterin des Instituts für Islamfragen, einer Organisation der EAD.

Schirrmacher ist so gut vernetzt und in so vielen Gremien vertreten, darunter der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), dass dies den Rahmen eines Threads sprengen würde.

Die nächste im Bunde ist Prof. Dr. Susanne Schröter, Professorin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI).

Auch sie gehört zum rechten und rassistischen Netzwerk Wissenschaftsfreiheit und sie unterzeichnete 2020 den Aufruf „Stoppen wir den politischen Islam“.

Schröter unterzeichnete 2021 die Petition „Europas Freiheit schützen – Politischen Islam stoppen!“. Im Jahr davor (2020) war sie Erstunterzeichnerin des Aufrufs „Bekämpft Geschlechter-Apartheid“.

Auch die EMMA rief dazu auf. [7] Auch die Petition „Den Kopf frei haben (gegen das Kinderkopftuch“) initiiert von den Terfs/Swerfs von Terre des Femmes (D) wurde von Schröter unterzeichnet.

Eine Petition, die sogar von der AfD Darmstadt weiterverbreitet und damit unterstützt wurde. [8]

Schröter gehört auch zu den Mitbegründer*innen der „neuen liberalen-konservativen Denkfabrik R21“. https://www.deutschlandfunk.de/berlin-neue-liberal-konservative-denkfabrik-r21-will.2849.de.html?drn:news_id=1318671

Die Professorin ist der Ansicht der „politische Islam sei im Kern demokratiefeindlich, weil er den Vorrang des religiösen Gesetzes vor dem weltlichen vertrete.“ [9]

Ausgeblendet wird dabei das „politische Christentum“, also die Personen und Organisationen, die Gott über die Verfassung stellen wollen und fordern „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, wie Ulrich Parzany von der Bekenntnisbewegung, die der EAD angeschlossen ist.

Oder die Personen und Organisationen, die 2015 die christlich fundamentale Salzburger Erklärung unterzeichnet haben, darunter der damalige Generalsekretär der EAD Hartmut Steeb, Ulrich Parzany, Thomas Schirrmacher (Ehemann von Christine Schirrmacher) … . [10]

Alle Unterzeichneten streben danach ihren christlich-fundamentalen Glauben allen aufzuzwingen und nehmen Einfluss auf politische Entscheidungen.

Zurück zu Susanne Schröter, die über Parteigrenzen hinweg beliebt bei der CDU und der FDP ist. Denn sie fungierte bisher als Referentin für die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Naumann-Stiftung sowie darüberhinaus für einen der zahlreichen Hayek-Clubs, die zur Hayek-Gesellschaft gehören „dem Mistbeet der AfD“ oder dem „völkisch-nationalistischen Sumpf“.

An dieser Stelle lässt sich festhalten zum wissenschaftlichen Beirat der BpB gehören 25% Rechte, Evangelikale oder Personen, die antimuslimischen Rassismus produzieren und weiterverbreiten und das getarnt als vermeintlich wissenschaftlich.

Auch die Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing Prof. Dr. Ursula Münch ist in der Vergangenheit schon negativ aufgefallen.

Sie hielt im Wintersemester 2018/2019 für die Kölner Burschenschaft Germania, Mitglied in der Deutschen Burschenschaft (DB), einen Vortrag im Rahmen der Marienberger Gespräche. [11]

Dass es sich bei der Kölner Burschenschaft Germania, um eine extrem rechte und völkische Burschenschaft handelt, war im WS 2018/19 längst bekannt oder hätte bekannt sein müssen.

Münch hat also keine Berührungsängste vor extremen und völkischen Rechten.

Doch was hat das eigentlich alles mit der Buchmesse zu tun?

Die Antwort ist schnell formuliert. In diesem Jahr hat nicht nur die Frankfurter Buchmesse mehr als deutlich gemacht und das lautstark, dass auch Rechte, Neofaschisten und Antidemokraten überall vertreten sein sollen, vermeintlich aus demokratischen Gründen.

Es zeigt sich mal wieder, dass der Generalangriff auf die Demokratie, den Rechtsstaat und auf die Grundrechte von BIPoCs, von FLINTAs, von Jüdinnen*Juden, von Muslima*Muslime, von Rom*nja und Sinti*zesse, von behinderten Menschen … nicht nur von stramm rechts erfolgt, sondern dass es die Mitte, der Kern der Gesellschaft, ihre Institutionen und Vereine sind, die wohlwollend Antidemokrat*innen, Autoritäre, Rechte, extreme Rechte und Neofaschist*innen aufnehmen und schützen.

Es sind dieselben Menschen und Organisationen, die am 9.11. Nie Wieder heucheln und die gleichzeitig vorgeben gegen extreme Rechte, gegen Rassismus, gegen Sexismus vorgehen zu wollen, allerdings nur gemeinsam mit den Tätern. Falls überhaupt.

Einige Screenshots von Einzelpublikationen der BpB mit einem Kuratorium, dem auch AfD-Abgeordnete angehören und mit einem wissenschaftlichen Beirat von etwas mehr als 25% fragwürdig.

Im Screenshot ist das Cover von Wandzeitung „Sexismus begegnen“ zu sehen und der Wandzeitung „Muslimfeindlichkeit begegnen“.

Im Screenshot sind die Cover der Wandzeitungen „Homophobie begegnen“ und „Antisemitismus begegnen“ zu sehen.

Im Screenshot sind die Cover der Wandzeitungen „Rassismus begegnen“ und „Antiziganismus begegnen“ zu sehen.

[12]

Screenshot einer Publikation (Schriftenreihe Bd. 10741) zu sehen. Dabei geht es um die Publikation: „Machtkampf am Mittelmeer Neue Kriege um Gas, Einfluss und Migration“ Drohen in der Mittelmeerregion neue kriegerische Auseinandersetzungen? Zumindest lassen sich dort zahlreiche Interessenkonflikte und alte wie neue Spannungen ausmachen, wie Thomas Seibert beschreibt.“

[13]

Als Ergänzung die Stellungnahme der Frankfurter Buchmesse vom 23.10.2021 „Eine Bühne für die Vielfalt“ und „Keine Bühne für Rassismus“.

Screenshot enthält folgenden Text: „Eine Bühne für die Vielfalt Autor*innen, die Ihr Euch gegen Rassismus, für Meinungsfreiheit, Chancengleichheit und Diversität engagiert: Nutzt unsere Bühne! Wie die Verlage und die Besucher*innen möchten, dass Eure Stimmen gehört werden.“

[14]

Screenshot mit folgendem Text: „Keine Bühe für Rassismus Wir verurteilen Rassismus in jeder Form und distanzieren uns entschieden davon. Darum unterstützen wir seit Jahrzehnten Autor*innen, die für Diversität und Meinungsfreiheit eintreten. Diesen Menschen laden wir aktiv ein, an unseren mit Partner*innen kuratierten Veranstaltungen teilzunehmen. Und wir unterstützen Stiftungen, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus einsetzen.“

[15]

Denn das ist die Demokratie, die sie meinen und für die sie sich einsetzen.

Ein System, das BIPoCs, FLINTAs und weitere Bevölkerungsgruppen (Stichwort: Klassismus, Ableismus, Antisemitismus, Antiziganismus … ) ausgrenzt, Trauma, Leid, Gewalt verursacht und das in letzter Konsequenz für die Betroffenen den Tod bedeuten kann.

Pfui.