Am 12.07.2021 berichtete der Spiegel „Wie die CDU eine umstrittene Organisation in den WDR-Rundfunkrat hievte“ und queer.de schrieb über eine „fragwürdige Entscheidung“ der „Laschet-CDU“ die den offenbar homophoben Verband in den WDR-Rundfunkrat gebracht hatte
Bei dieser Organisation handelt es sich um den Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD), der ab Dezember 2021 Mitglied des Rundfunkrats des WDR sein wird.Dass dies geschehen konnte ist das Ergebnis von antifeministischen, LGBTQI-feindlichen, evangelikalen, christlich-fundamentalen, marktradikalen, neoliberalen, rechtslibertären, konservativen, also protofaschistischen, und „neu“rechten Netzwerken.
Anmerkung und Erklärung: [1] führt zu Redbull, denn von hier stammt die Grafik. Das mag zunächst irritieren. Doch wir haben diese Grafik ausgewählt, weil sie die Komplexität von Netzwerken/Vernetzungen am besten veranschaulicht. Obwohl hier nur 4 Menschen „netzwerken“ erinnert die Grafik an einen Schienennetzplan. Zwar wurde der Beitrag von Redbull ins Archiv verlagert (https://archive.is/pEum8) doch in dieser Version steht das Bild leider nicht zur Verfügung.
Wie das alles zusammenhängt, darum geht es in diesem Beitrag.
Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. setzt sich zusammen aus einem Vorstand, 16 Landesverbänden, 3 Arbeitskreisen, Freund*innen und Partner*innen, Unterstützter*innen sowie einem wissenschaftlichen Beirat plus Veranstaltungen.
Eine der Veranstaltungen des KRFD in 2018 führte mehr als 100 Mitgliedsfamilien und Gäste zusammen. Der Veranstaltungsbericht ist unter Lobbyarbeit aufgeführt.
An der Eröffnungsveranstaltung nahmen der Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt (CDU und Thomas Kemmerich (FDP) teil, sowie Wirtschaftsvertreter*innen von Santander Consumer Bank, Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Burda Forward GmbH und Brands for Talents.
Unterstützt wurde dieser Kongress durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie, die ihrerseits ein großes Netzwerk umfasst, Nestlé und die Wernsing Feinkost GmbH. [2]
Zeigt sich doch wie weit der Kern dieser Gesellschaft oder die Mitte ™ oder das Bürgertum nach rechts und auch ins christlich-fundamentale Spektrum abgedriftet ist und wie wenig Berührungsängste sie kennt, mal abgesehen von der nicht existenten „roten Linie“.
Der 1. Vorsitzende des Gebetshaus Augsburg oder O-Ton „Gebetshausmissionar“ und „Lobpreisleiter“ ist nämlich Johannes Hartl, [3] Initiator des christlich-fundamentalen Spektakels „Deutschland Betet Gemeinsam“ 2020.
Jakob Tscharntke von der Evangelische Freikirche Riedlingen e.V., ein Querdenker unter den fundamentalen Christen, bezeichnete Hartl 2018 als „katholisch-charismatischen Verführer der Endzeit“. [4]
Zum Gebetshaus Augsburg gehört übrigens auch Inka Hammond, die noch im Oktober 2020 dazu aufgerufen hatte, Christ*innen sollten nicht negativ über den US-Präsidenten Donald Trump reden.
Im Gebetshaus Augsburg finden seit neuestem auch Gebetsabende der evangelikalen Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) statt. Damit dürfte klar sein, wo das Gebetshaus eingeordnet werden kann.
Zu den Freund*innen und Partner*innen des Verbands kinderreicher Familien zählen: ELFAC – European Large Family Confederation,
ABC-Club e.V. Internationale Drillings & Mehrlingsinitiative und die Familienunternehmer – ASU und die Jungen Unternehmer – BJU.
2018 war z. B. die Abtreibungsgegnerin und Antifeministin Birgit Kelle zu Gast bei den Familienunternehmer – ASU. Sie stellte ihr Buch „Das Muttertier – Eine Ansage“ vor. [6]
Vor etwa 70 Besucher*innen der Veranstaltung hetzte Kelle munter gegen die „überzogene Sexismus-Debatte“ und „Gender-Gaga“ und das war nicht die einzige Veranstaltung der Familienunternehmer mit Birgit Kelle. [7]
Noch mehr Vernetzungen zeigt der Blick in den wissenschaftlichen Beirat, der aus 10 Personen besteht, von denen 8 der Titel Prof. Dr. schmückt und 2 „nur“ einen Doktortitel haben.
Das hier sind sie:
Auffallend sind zunächst die Verbindungen zu Universitäten, Hochschulen/Fachhochschulen und zum Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
Um die weiteren Vernetzungen herauszuarbeiten, werden die Verbindungen von 4 Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats vorgestellt.
Prof. Dr. Tilman Mayer:
Er ist Autor für den ÖkonomenBlog von INSM – Institut Neue Soziale Marktwirtschaft [8] und gehört zum Vorstand der Deutsche Gesellschaft e.V. und ist Vorsitzender des Forums Deutschlandforschung in der Deutschen Gesellschaft e.V. [9]
Er ist aufgefallen als Doktorvater von Stefan Fuchs, dem wissenschaftlichen Mitarbeiter von iDAF (Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.) und Mayer gehört seit März 2021 dem rechten und rassistischen Netzwerk Wissenschaftsfreiheit an. Zu finden unter der laufenden Nummer: 294.
Prof. Dr. Herwig Birg:
Er ist in der Vergangenheit aufgefallen als Redner für das extrem rechte Institut für Staatspolitik (IfS), für die völkische Kölner Burschenschaft Germania, für das Bildungszentrum Feldmark/Opus Dei, für die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), er trat als Redner auf dem AfD-Parteitag in Bremen auf, [11]
und fungierte 2016 als Referent einer Kooperationsveranstaltung der KAS und iDAF. 2018 [12] publizierte Herwig Birg für Die Neue Ordnung, die vom Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg e.V. herausgegeben wird.
Verantwortlicher Chefredakteur ist Wolfgang Ockenfels, CDU, der jedoch die AfD wählt und auch für sie wirbt.
Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen:
Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung bestreitet Raffelhüschen den Verband kinderreicher Familien überhaupt zu kennen. [13] Allerdings ist er auf der Webseite des Verbands unter den Mitgliedern des Beirates aufgeführt, wie nachfolgender Screenshot vom 14.07.2021 beweist.
Raffelhüschen gehört zum Team der Stiftung Marktwirtschaft, [14] die für „mehr Markt, mehr Eigeninitiative, mehr Freiheit“ steht. [15]
Vom Focus wird er als „umstrittener Ökonom“ bezeichnet, weil er schon 5 oder 6mal wegen Volksverhetzung angezeigt wurde. [17]
Der Cicero zählt Bernd Raffelhüschen zu den neoliberalen Vordenkern, die Blaupausen einer konservativen Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung formulieren: „Weniger Staat, weniger Lohn, weniger Freizeit“. [18]
Und so ist es auch kein Wunder, dass sich Neoliberale, Marktradikale, Rechtslibertäre gleichermaßen wie die neurechte Wochenzeitung Junge Freiheit und das Institut für Deutsche Wirtschaft nur allzugerne auf Raffelhüschen beziehen und auf seine vermeintlichen Daten.
Denn er berechnete in der Vergangenheit u.a. auch die Nettokosten des deutschen Staates für geflüchtete Menschen.
Prof. Dr. Manfred Spieker:
Er ist Bündnispartner von Demo für Alle,
Autor für die Junge Freiheit, fungierte als Autor für die „furchtbaren Juristen“ der Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL), gehört zum wissenschaftlichen Beirat des DIJG (Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft), eine evangelikale LGBTQI-feindliche Organisation, die von queer.de als „Homo-Heiler“ bezeichnet wurde. [20]
Und das ist noch längst nicht alles. 2017 trat Spieker wegen der „Ehe für Alle“ aus der CDU aus. Er gehört zum wissenschaftlichen Beirats des Lindenthal-Instituts, einer Organisation des Opus Dei, fungierte als Referent für das Bildungszentrum Feldmarkt (Opus Dei), unterzeichnete die homosexuellenfeindliche Marburger Erklärung (2009) und war Erstunterzeichner der christlich-fundamentalen Salzburger Erklärung.
Er gehört zum Redaktionsbeirat von Die Neue Ordnung, die vom Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg e.V. herausgegeben wird. Seit 2019 gibt es was Die Neue Ordnung betrifft eine Warnung vor Publikationen vom Arbeitskreis christliche Sozialethik, da diese in ein „populistisches und extrem rechtes Fahrwasser geführt“ worden sei, so der Arbeitskreis.
Manfred Spieker ist sehr gut vernetzt, publiziert u.a. auch für die GWE (Gesellschaft zur Förderungen von Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V.) …
Schon jetzt sind hier Netzwerke zu erkennen, die zu Universitäten, zu Ministerien führen, zur Wirtschaft, zu christlich-fundamentalen/evangelikalen Organisationen und Strukturen führen, zu Abtreibungsgegner*innen und z.B. zum Institut der deutschen Wirtschaft.
Entstanden ist ein Konglomerat aus Weniger Staat, Mehr Antifeminismus, Mehr Misogynie, Mehr LGBTQI-feindlichkeit, Mehr Kapital, Mehr Wirtschaft und Mehr christliche Religion bis hin zum christlichen Fundamentalismus, Mehr Autorität, Mehr weiße Kinder, Mehr Demographie und damit auch Mehr völkischer Gedanke und letzten Endes auch Mehr Hetze.
Diese Stimme vertreten durch den Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. wird zukünftig, sollte sich nichts ändern, im WDR-Rundfunkrat vertreten sein und das bedeutet eine Stimme, die für WENIGER Diversität und WENIGER Vielfalt steht.
Während gleichzeitig der Kinderschutzbund nicht mehr vertreten sein wird. Der ging leer aus.
Die Forderung der Grünen eine Person aus dem Verband kinderreicher Familien Deutschland zu nominieren, die die freiheitlichen Werte einer vielfältigen Gesellschaft vertritt, kann darum nicht erfüllt werden.
Damit ist die Forderung nichts weiter als Augenwischerei. Denn der Verband hat zusätzlich noch, und jetzt komme ich zum Ende, sehr einflussreiche Fürsprecher*innen aus der CDU/CSU/SPDU und Grünen. Zu finden unter „Testimonials“:
Annegret Kramp-Karrenbauer, Martin Patzelt, Joachim Herrmann, Manuela Schwesig, Harald Schmidt, Kristina Schröder, Günter Krings, Hans-Peter Friedrich, Kerstin Andrae (Die Grünen), Ursula von der Leyen, Roland Mack (Inhaber des Europa-Park), Anja Gockel (Modedesignerin) … .
Und hier endet der Beitrag mit sehr vielen bitteren Erkenntnissen.
Ergänzung vom 19.09.2021:
Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) hat nachweislich 2017 am evangelikalen Kongress christlicher Führungskräfte (KcF) teilgenommen. [1]